Ich habe keine Angst vor Spinnen, aber ich mag sie auch nicht besonders. Wenn ich früher eine im Haus entdeckt habe, habe ich sie deshalb meistens kurz und schmerzlos mit dem Hausschuh erschlagen und dann mit einem Kleenex entsorgt. Seit ich mit einer Buddhistin zusammen lebe, die sich vor dem krabbelnden Teil der Schöpfung fürchtet, ist das nicht mehr so einfach. Um nicht unnötig zu töten, habe ich ein altes Marmeladenglas und einen Pinsel aus dem Wasserfarbenkasten meiner Tochter bekommen. Damit muss ich Ungeziefer sanft aus Schlupflöchern extrahieren und vorsichtig im Garten entsorgen. Etwas umständlich, aber letztendlich ein erhebendes Gefühl, wenn man sich als Lebensretter sehen kann, auch wenn ich mich gerade im Winter manchmal frage, wie lange man als Spinne bei minus 8 Grad auf der Terrasse überleben kann und will.
Aber für die großen weltanschaulichen Fragen im Leben ist bei uns der Bikku zuständig, mir geht es mehr darum, meine Frau glücklich zu machen, auch wenn ich mich dabei oft in der Rolle eines nur mäßig überzeugten aber dafür voll solidarischen Unterstützers wiederfinde. So habe ich mich daran gewöhnt, dass unsere Sonntagsspaziergänge kurz unterbrochen werden, weil am Wegesrand tote Tauben, Frösche oder andere Kleintiere liegen, deren Weg in den Reinkarnationskreislauf durch ein Gebet meiner Frau und einen pietätvollen Gesichtsausdruck von mir begleitet werden muss. Neulich habe ich mich sogar dabei ertappt, einer Katze, die dem morgendlichen Berufsverkehr auf der A8 zum Opfer gefallen ist, mit einem inbrünstigen „Omitofo“ meine Referenz zu erweisen, obwohl meine Frau gar nicht mit im Auto saß.
Bei manchen buddhistischen Konzepten hat sich mir der praktische Nutzen dagegen ungleich schneller erschlossen, auch wenn ich die gesamte Tragweite nicht wirklich erfasst habe. So habe ich das „Loslassen“ als sehr machtvolles Instrument erkannt, wenn man beispielsweise mit mit dem Abwasch konfrontiert ist: Zwar wäscht sich das Geschirr auch durch Loslassen bedauerlicherweise nicht von alleine, aber ich kann vorher noch entspannt die Sportschau genießen oder zumindest meine Entschuldigungsrhetorik etwas geschmeidiger gestalten.
Aber auch einige tiefere Wahrheiten des Buddhismus haben mich nicht ganz unberührt gelassen. Der Lebensplan eines Buddha Schülers kommt auch mir bekannt vor: Erst fleißig lernen, um einen guten Job zu bekommen. Dann hart arbeiten, um eine Familie zu gründen und Kinder großzuziehen. Als krönender Abschluss und ultimatives Lebensziel schließlich die Perspektive, nach erfolgreicher Pflichterfüllung nicht mehr hart arbeiten zu müssen und sich um sich selbst zu kümmern. Die Gegenfrage Budhhas, warum der Schüler denn damit nicht sofort anfange, ist ebenso einfach wahr wie schwer zu beantworten.
Ähnlich sehen dies im übrigen die meisten meiner Bürokollegen, bei denen ich durch Geschichten wie diese im Ruf einer Weisheit stehe, der mir zwar schmeichelt, aber meiner tatsächlichen spirituellen Reife in keinster Weise entspricht. Denn auch wenn ich mich einer plötzlichen Erleuchtung vermutlich nicht entziehen könnte, so ist mein eigentlicher Herzenswunsch in diesem Leben doch eher weltlich: Ich möchte einfach ein guter Ehemann sein. Ich bin sicher, daran hätte auch Buddha selbst wenig auszusetzen, sofern er sich denn wirklich im Detail für das weltliche Geschehen im Großraum München interessiert.
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